Was ändert sich mit der neuen Gefahrstoffverordnung vom 1.10.2021 für die Schädlingsbekämpfung

Am 27. Juli 2021 ist Änderung der Gefahrstoffverordnung verkündet worden (BGBl. I, S. 3115). Die neue Verordnung trat am 01.10.2021 in Kraft.

Die Novellierung betrifft ganz wesentlich alle Vorschriften über den Umgang mit Bioziden. Schon 2012, mit dem Inkrafttreten der EU-Biozidverordnung wurden die Anwendungen von Schädlingsbekämpfungsmitteln zunehmend von europäischen Vorschriften geregelt. Mit der jetzigen Novellierung der nationalen Gefahrstoffverordnung werden die Vorschriften weiter harmonisiert.

Was hat sich durch die Novellierung für den Schädlingsbekämpfer geändert?

In der neuen Fassung der Gefahrstoffverordnung werden die Anforderungen an die Verwendung von Biozid-Produkten zur Schädlingsbekämpfung einschließlich der Begasung im Abschnitt 4a der Verordnung festgelegt.

In § 15a und § 15b des Abschnitts 4a werden die allgemeinen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verwendung von Biozid-Produkten formuliert. Die Anwendung von Biozid-Produkten muss auf das notwendige Maß begrenzt werden, darf nur für den zugelassenen Verwendungszweck eingesetzt werden und es sind die Anwendungsvorschriften aus der Zulassung einzuhalten.  Es ist eine mögliche Substitution des bioziden Schädlingsbekämpfungsmittel zu prüfen und die Biozide müssen entsprechend ihrer gefahrstoffrechten Einstufung gekennzeichnet sein. Biozid-Produkte, die für die „breite Öffentlichkeit“ zugelassen sind, dürfen von jedermann eingesetzt werden. Viele insektizide Spraydosen und Fertigpräparate sind für die „breite Öffentlichkeit“ zugelassen. Schädlingsbekämpfungsmittel, die für den „berufsmäßigen Verwender“ zugelassen sind, dürfen nur von Personen mit einer entsprechenden Fachkunde angewendet werden. Diese Fachkunde kann im Rahmen von firmeninternen Fortbildungen erlangt werden und umfasst Kenntnisse und Fertigkeiten, die erforderlich sind, um die verwendeten Biozid-Produkte bestimmungsgemäß und fachgerecht anwenden zu können.  Viele Ködergele, wie z.B. Advion Schaben- und Ameisengel, Goliath Schabengel oder Maxforce quantum Ameisengel sind für den „berufsmäßigen Verwender“ zugelassen.

Biozide Schädlingsbekämpfungsmittel, mit akut toxischer Wirkung Kategorie 1 – 3, reproduktionstoxischer Wirkung oder spezifisch zielorgantoxischer Wirkung, sowie Hormonwirkung, und alle Präparate, die für den „geschulten berufsmäßigen Verwender“ zugelassen sind, dürfen nach § 15c der Gefahrstoffverordnung nur noch von Anwendern mit entsprechender Sachkunde eigenständig ausgebracht werden. Zu diesen Schädlingsbekämpfungsmitteln gehören alle rodentiziden Präparate mit blutgerinnungshemmender Wirkung und die meisten insektiziden Konzentrate. Im Rahmen der Biozid-Zulassung eines Präparates können auch für unterschiedliche Verpackungsgrößen verschiedene Verwenderkategorien zugelassen werden. So darf FENDONA 6 SC in 0,5 l, 1 l und 5 l Gebinden nur von einem sachkundigen Schädlingsbekämpfer eingesetzt werden, Gebinde mit 0,05 l und 0,1 l dürfen auch im Rahmen einer nicht berufsmäßigen Anwendung ohne Sachkunde in der Stallhygiene eingesetzt werden.

Eine Sachkunde nach § 15c kann durch eine Bescheinigung über die erfolgreiche Teilnahme an einem Sachkundelehrgang nachgewiesen werden. Der Sachkundelehrgang muss von der zuständigen Behörde anerkannt sein. Die anerkannten Sachkundenachweise nach § 15c sind im Wesentlichen deckungsgleich mit denen aus dem Anhang 1 Nr. 3 der alten Gefahrstoffverordnung und umfassen die IHK-geprüften Schädlingsbekämpfer, Schädlingsbekämpfer mit Berufsausbildung aber auch die Sachkunde in bestimmten Anwendungsbereichen, wie für den Gesundheits- und Vorratsschutz oder die Sachkunde zur Nagetierbekämpfung mit blutgerinnungshemmenden Rodentiziden. Neu ist, dass die Gefahrstoffverordnung den Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS)1 ermächtigt, die Anerkennungskriterien für diese Sachkundelehrgänge festzulegen. Werden die entsprechenden Kenntnisse aufgrund anderer Rechtsvorschriften zum Beispiel nach dem Pflanzenschutzrecht erworben, gelten die Sachkundeanforderungen als erfüllt.

Neu ist auch, dass die Sachkunde nur für 6 Jahr gültig ist. Die Geltungsdauer verlängert sich um sechs Jahre ab dem Datum der Erteilung eines Nachweises über den Abschluss eines behördlich anerkannten Fortbildungslehrgangs. Auch hier legt der AGS die Anerkennungskriterien für diese Fortbildungsveranstaltungen fest. Die Beschränkung der Geltungsdauer gilt laut Staatlichem Amt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin des Regierungspräsidiums Kassel nicht für Sachkundeinhaber, welche die Sachkunde vor 1.10.2021 erworben haben. Hier gilt die allgemeine Fortbildungspflicht aus der alten Gefahrstoffverordnung. Eine schriftliche Bestätigung dieser Regelung konnte weder vom Regierungspräsidium in Hessen, noch vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) abgerufen werden.

Die Anzeigepflichten für Unternehmen, welche Bekämpfungsmaßnahmen mit gefährlichen Schädlingsbekämpfungsmitteln durchführen, wird mit der Novellierung Gefahrstoffverordnung ausgeweitet und umfasst jetzt auch Betreiber von Abwasserkanalsystemen und Landwirte, die Rodentizide mit blutgerinnungshemmender Wirkung im eigenen Betrieb einsetzen. Die geplante Tätigkeit ist 6 Wochen vor der ersten Ausbringung bei der Gewerbeaussicht anzuzeigen. Die Anzeige umfasst u.a. Angaben über die personelle, räumliche und sicherheitstechnische Ausstattung des Unternehmens, sowie Informationen zur Art der beabsichtigten Verwendung der Biozid-Produkte oder Biozid-Wirkstoffe.

Weggefallen ist die Pflicht, dass jede Schädlingsbekämpfungsmaßnahme in Gemeinschaftseinrichtungen 3 Wochen vor der Durchführung bei der Gewerbeaufsicht angezeigt werden muss. Diese Anzeigepflicht war ohnehin umstritten, weil z.B. ein Krankenhaus nicht 3 Wochen auf den Beginn der Bekämpfungsmaßnahmen gegen Gesundheitsschädlinge wie Ratten oder Mäuse warten kann.

Der Anwendungsbereich des § 15c hat sich, im Vergleich mit dem Anwendungsbereich des Anhangs 1 Nr. 3 der alten Gefahrstoffverordnung geändert. Die Freisetzungsklausel ist entfallen. Jetzt gilt nur die Kennzeichnung, die auf dem Präparat, bzw. der Gebrauchsanweisung abgedruckt ist. Es ist nicht mehr zu berücksichtigen, ob im Rahmen der Ausbringung ein gefährlicher Wirkstoff freigesetzt wird. Auch ist die Unterscheidung weggefallen, ob die Anwendung bei anderen oder im eigenen Betrieb stattfindet. Heute gilt, wer entsprechend gefährliche Schädlingsbekämpfungsmittel anwendet, hat die Vorgaben des § 15c der neuen Gefahrstoffverordnung zu erfüllen.

Das hat enorme Auswirkungen auf die kommunale Rattenbekämpfung und für die Landwirtschaft. Beide Anwendungsbereiche sind nach der alten Gefahrstoffverordnung nicht unter den Anhang 1 Nr. 3 gefallen, weil die Bekämpfungsmaßnahme in eigenem Kanalsystem, bzw. auf eigener Scholle erfolgte. Diese Ausnahme ist mit der neuen Gefahrstoffverordnung weggefallen. Heute sind die Anforderungen des § 15c in Bezug auf Sachkunde und Anzeigepflichten von allen zu erfüllen. Kein Landwirt, keine Kommune und auch kein Hausmeister darf mehr Ratten- oder Mausegift auslegen, ohne diese Tätigkeit bei der Gewerbeaufsicht angezeigt zu haben, auch wenn die Bekämpfung in eigenem Betrieb ausgeführt wird. Die Anzeige umfasst eine Beschreibung der Präparate, die Art der Ausbringung und eine geeignete personelle Ausstattung. Nach § 25 Gefahrstoffverordnung müssen die entsprechenden Sachkundenachweise mit einer Übergangsfrist bis zum 28. Juli 2025 vorgelegt werden.

Das trifft nicht nur auf die Rodentizide zu. Auch beim Insektizideinsatz muss eine Anzeige bei der Gewerbeaufsicht erfolgen, wenn der Landwirt in eigenem Stall oder der Hausmeister in eigener Gesellschaft entsprechende Schädlingsbekämpfungsmittel ausbringt.

Vieles hat sich geändert, manches ist nach der Novellierung der Gefahrstoffverordnung gleichgeblieben.

 

Übersicht:

Was ist gleichgeblieben?

  • Notwendigkeit der Sachkunde für Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen mit „gefährlichen“ Schädlingsbekämpfungsmitteln
  • Anerkennung der Sachkundenachweise
  • Anzeige der Tätigkeit bei der Gewerbeaufsicht

 

Was hat sich geändert?

  • Anwendungsbereich der Gefahrstoffverordnung (akut Tox 1-3, reproduktionstoxisch, endokrin, STOT und alle Präparate für geschulte berufsmäßige Anwender
  • Bundesweit einheitliche Anerkennungskriterien für Sachkunde durch AGS1
  • Sachkundenachweise ab 1.10.2021 nur 6 Jahre gültig, Verlängerung um weitere 6 Jahre durch anerkannte Fortbildungsmaßnahmen
  • Wegfall der Anzeigepflicht für Bekämpfungsmaßnahmen in Gemeinschaftseinrichtungen
  • Wegfall der Freisetzungsklausel
  • Wegfall der Ausnahmeregelung für Pestizidanwendung in eigenem Betrieb

 

Welche Fragen ergeben sich aus der Novellierung der Gefahrstoffverordnung, wo gibt es Regelungsbedarf?

Die Anerkennungskriterien für Sachkundelehrgänge, Fachkundeanforderungen und Fortbildungslehrgänge werden nach neuer Gefahrstoffverordnung bundesweit von dem Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS1) festgelegt. Der AGS hat jedoch noch keine Kriterien zur Anerkennung von Fortbildungslehrgängen veröffentlicht, die für die Verlängerung der Geltungsdauer von Sachkundenachweisen erforderlich sind. Die Beschränkung der Geltungsdauer auf 6 Jahre soll nur für Sachkundenachweise gelten, die nach dem 1.10.2021 erlangt wurden. Die ersten Fortbildungsnachweise sind also erst ab September 2027 erforderlich. Ob die Inhaber von alten Sachkundenachweisen, die vor dem 1.10.2021 erlangt wurden, tatsächlich nicht von der Beschränkung der Geltungsdauer auf 6 Jahre betroffen sind, muss von den Behörden noch rechtsverbindlich kommuniziert werden.

Landwirte ohne Sachkunde nach alter Gefahrstoffverordnung dürfen mit einer Übergangsfrist bis zum 28. Juli 2025 weiter Rodentizide mit blutgerinnungshemmender Wirkung und entsprechende Insektizde auf eigener Scholle, bzw. im eigenen Stall auch großflächig anwenden. Ob die Sachkunde zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln nach Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung (PflSchSachkV) anschließend ohne spezielle Fortbildung und Prüfung als Sachkunde nach Gefahrstoffverordnung anerkannt wird, ist fraglich. Wenn keine gefahrstoffrechtliche Anerkennung der Pflanzenschutzsachkunde erfolgt, müssen die Landwirte professionelle Schädlingsbekämpfunger mit der Nagetierbekämpfung beauftragen, oder anerkannten Lehrgänge für die Sachkunde zur Nagetierbekämpfung absolvieren?

 

Mit der novellierten Gefahrstoffverordnung vom 1.10.2021 hat der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) eine besondere Bedeutung für die Festlegung der Anforderungen an die Fach- und Sachkunde, sowie anerkannte Fortbildungslehrgänge in der Schädlingsbekämpfung erhalten. Was oder wer ist der AGS?

Der AGS ist ein Beratungsgremium des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zu Fragen der Gefahrstoffverordnung. Experten aus allen Bereichen des Arbeitsschutzes arbeiten hier an der Schaffung eines untergesetzlichen Regelwerks zusammen. Der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) hat seine Rechtsgrundlage im § 20 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV). Seine Aufgaben sind insbesondere:

 Zu ermitteln, wie die in der GefStoffV gestellten Anforderungen erfüllt werden können und dazu die dem jeweiligen Stand von Technik und Medizin entsprechenden Regeln und Erkenntnisse zu erarbeiten, und

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in allen Fragen zu Gefahrstoffen zu beraten.

Der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) tagt zwei Mal pro Jahr, um Arbeitsergebnisse – insbesondere TRGS – zu beraten und zu beschließen. Beschlüsse werden weitestgehend im Konsens gefasst, was für die Akzeptanz durch die Praxis von besonderer Bedeutung ist.