Werden die Rodentizide mit blutgerinnungshemmender Wirkung (Antikoagulantien) für die Mäusebekämpfung verboten?

Die zweite Wiederzulassung der Rodentizide mit blutgerinnungshemmender Wirkung (Antikoagulantien) erfolgt 2024. Als Substitutionskanidaten wird die Verkehrsfähigkeit der Antikoagulantien nur so lange erhalten, wie keine Alternativen zu dem Einsatz dieser Substanzen auf dem Markt zur Verfügung stehen. Dazu werden alle 5 Jahre vergleichende Bewertungen durch die ECHA (European Chemicals Agency) durchgeführt.

Am 29.11.2022 veröffentlicht das Biocidal Products Committee (BPC) in der ECHA/22/19 seine Auffassung über die vergleichende Bewertung für die zweite Wiederzulassung der Antikoagulantien als Nagetierbekämpfungsmittel.

Zusammenfassend kommt das BPC zu der Auffassung:

  • Mechanische Fallen, wie von der breiten Öffentlichkeit und professionellen Anwender zur Bekämpfung von Mäusen in Gebäuden verwendet werden, sind ausgesprochen wirksam
  • Die Anwendung dieser Fallen stellt keinen signifikanten, praktischen oder ökonomischen Nachteil dar, stellt jedoch ein signifikant geringeres Risiko für die menschliche Gesundheit und Tiergesundheit dar, gegenüber der Anwendung von Antikoagulantien.
  • Es wird empfohlen, mehr Informationen zu beschaffen, um die Schlussfolgerungen zu bestätigen, weil in der einen verfügbaren Studie unterschiedliche Befallssituationen nicht berücksichtigt wurden.
  • Der BPC konnte keine Schussfolgerungen darüber ziehen, wie effektiv mechanische Fallen für die Permanetbeköderung/-bekämpfung sind.

Der BPC konnte nicht zu dem Schluss kommen, dass Cholecaliferol- und Alphachloraloseköder ein signifikant besseres Gefahrenprofil für die Gesundheit von Menschen und Tieren, sowie für die Umwelt besitzen, als Antikoagulantien.

Kohlendioxid wird als geeignet betrachtet, Mäusebekämpfungen durch professionelle Anwender in Gebäuden durchzuführen. Es hat eine signifikant geringes Gefahrenpotential, verglichen mit Antikoagulantien.

Das Committee hat darüber diskutiert, ob ein Test ausreicht, um die Schlussfolgerungen zu ziehen. Der Test hat aber gezeigt, dass der Einsatz von Fallen effektiv war. Es wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass Nagetierfallen eine geeignete Alternative zu Antikoagulantien sind. Das wurde der European Commission mitgeteilt.

Welche Folgen können die Schlussfolgerungen des Biocidal Products Committees (BPC) für die Wiederzulassung, bzw. die Verkehrsfähigkeit von Antigoakulantien haben?

Wenn die zuständige Fachbörde der EU zu dem Schluss kommt, dass es Alternativen ohne praktischen oder ökonomischen Nachteil zum Einsatz von Antikoagulantien gegen Mäuse in Gebäuden gibt, wird es vermutlich für diesen Einsatzbereich ab 2024 keine Zulassung von Antikoagulation nach Biozidverordnung mehr geben.

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) teilte dazu dem Lebensmittelverband Deutschland am 5.12.2022 mit:

Was sich aus Sicht der am Zulassungsverfahren beteiligten Behörden (Deutschland) seit der erstmaligen Zulassung von Ausnahmen von dem Verbot der Permanentbeköderung im Jahre 2014 geändert hat, ist aber die Verfügbarkeit und Anwendung von Alternativen. So sind nicht-chemische Methoden, wie z.B. der Einsatz von non-tox Ködern, digitalen Fallen sowie mit Funktechnik und Sensoren ausgestatten Geräten zur permanenten Überwachung von Nagetieren (Permanentmonitoring) mittlerweile fester Bestandteil des präventiven Schadnagermanagements. Dass dies vor allem auch im Lebensmittelbereich der Fall ist, zeigt aus Sicht des Umweltbundesamtes der kürzlich veröffentlichte IFS-Leitfaden, in dem der Einsatz dieser Techniken vorgeschrieben ist. Davon abgesehen wird darauf verwiesen, dass der Einsatz von Rodentiziden bei einem festgestellten Befall mit Ratten (kurative Ausbringung) auch nach der 2. Wiederzulassung möglich sein wird, vorausgesetzt die Zulassungsbedingungen sind weiter erfüllt.

Kann man den Einsatz von antikoagulanten Ködern zu Bekämpfungszwecken wirklich durch andere Verfahren ersetzen?

Zunächst muss hier richtiggestellt werden: Digitale Fallen sowie mit Funktechnik und Sensoren ausgestattete Geräte zur permanenten Überwachung von Nagetieren sind nicht fester Bestandteil des präventiven Schadnagermanagements in Lebensmittelbetrieben. Im IFS Leitfaden (IFS Pest Control Guideline 2022) wird der Einsatz nicht vorgeschrieben, sondern lediglich beschrieben.

Die Schlussfolgerungen des Biocidal Products Committee (BPC) in der ECHA/22/19 basieren auf einem Test und berücksichtigen nicht verschiedene Befallssituationen und unterschiedliche Gebäudestrukturen.

Zur Bekämpfung von größeren Populationen von Mäusen in Gebäuden ist Einsatz von rodentiziden Ködern als wirksame Bekämpfungsmaßnahme im Rahmen des Integrated Pest Managements (IPM) unerlässlich. Der Einsatz von mechanischen Schlagfallen, oder elektronischen Fallen kann als begleitende Maßnahme in das Bekämpfungskonzept integriert werden, was den Regeln des Integrated Pest Management (IPM) folgt. Dem entsprechend wurden im Rahmen des Infektionsschutzes die überwiegende Anzahl der mechanischen Fallen lediglich als begleitende Maßnahme vom Umweltbundesamt (UBA) in der Liste der geprüften Mittel und Verfahren zur Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen, Krätzmilben und Kopfläusen gemäß § 18 Infektionsschutzgesetz anerkannt. Nur eine mechanische Todschlagfalle wurde als alleinige Maßnahmen gegen Mäuse in Gebäuden anerkannt. Insofern kann hier noch nicht davon ausgegangen werden, dass diese Geräte auf dem Markt verfügbar sind.

Eine Besonderheit bei dem Einsatz von rodentiziden Ködern mit blutgerinnungshemmender Wirkung ist die stark verzögerte Wirkung. Aufgrund dieser Eigenschaft können die Zieltiere keinen Zusammenhang zwischen der Aufnahme der Blutgerinnungshemmstoffe und dem Tod der Tiere herstellen. Aus diesem Grund kann die gesamte Nagetierpopulation durch den Einsatz dieser Köder getilgt werden, was in Lebensmittelunternehmen und pharmazeutischen Betrieben von besonderer Bedeutung ist.

Eine dauerhaft wirksame Bekämpfung von Nagetieren in Innenräumen der Lebensmittelwirtschaft kann nur durch kombinierte Verfahren im Rahmen des Integrated Pest Management (IPM) erfolgen. Der Zulauf, die Einschleppung und die Ansiedlung von Nagetieren in Innenräumen der Lebensmittelproduktion kann durch präventive Maßnahmen baulicher und hygienischer Natur minimiert werden. Sollte es trotzdem zu einem Befall kommen, führen nur Bekämpfungsmaßnahmen mit rodentiziden Ködern, begleitet von dem Einsatz mechanischer Fallensysteme zu einer ausreichenden Wirksamkeit.

Ein Verbot des Einsatzes von rodentiziden Ködern mit blutgerinnungshemmender Wirkung in Innenräumen von Lebensmittelbetrieben würde eine Säule des Integrated Pest Management (IPM) entfernen, was die Wirksamkeit des Bekämpfungskonzeptes erheblich in Frage stellt.