Durch die Novellierung der Gefahrstoffverordnung 2021 haben sich die Sachkundeanforderungen für die Anwendung von bioziden Produkten zur Rattenbekämpfung grundlegend geändert. In diesem Artikel sollen die praktischen Auswirkungen dieser Änderungen auf die kommunale Rattenbekämpfung eingehend beleuchtet werden.

Dazu muss zunächst erläutert werden, wie sich die Anforderungen vor der Novellierung der Gefahrstoffverordnung (2021) dargestellten haben.  Diese Anforderungen waren in der Gefahrstoffverordnung von 2017 und der Technischen Regel für Gefahrstoff (TRGS) 523 festgelegt. Die Gefahrstoffverordnung ist ein Instrument des Arbeitsschutzes und gilt nur für Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen, welche in berufsmäßigem Rahmen durchgeführt werden. Der Umgang mit Schädlingsbekämpfungsmitteln durch den privaten Verbraucher wird über die Zulassung der Schädlingsbekämpfungsmittel nach Biozidverordnung geregelt. Mit der 9. Anpassung der CLP-Verordnung an den technischen Fortschritt wurden alle Nagetierbekämpfungsmittel mit blutgerinnungshemmender Wirkung (Antikoagulatien) in damals anwendungsüblichen Wirkstoffkonzentrationen als reproduktionstoxisch und spezifisch zielorgantoxisch dargestellt. Nach Inkrafttreten der Anpassung im Jahr 2018 ist es verboten, diese Präparate an den Endverbraucher abzugeben (ChemVerbotsV). Rodentizide Präparate mit blutgerinnungshemmender Wirkung, die heute noch für den Endverbraucher abgegeben werden, weisen einen 14-fach niedrigeren Wirkstoffgehalt auf; deren Wirkung scheint gegenüber den Präparaten für den geschulten, beruflichen Anwender auch um diesen Faktor eingeschränkt und damit weniger wirksam zu sein.

In der alten Gefahrstoffverordnung (2017) hat der Gesetzgeber unterschieden, zwischen beruflicher Anwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln und beruflicher Anwendung bei anderen (z.B. gewerblich). Die besonderen Vorschriften der alten Gefahrstoffverordnung (2017) aus dem Anhang I Nummer 3 umfassten u.a. eine Sachkundepflicht für die Anwendung von akut toxische Stoffe der Kategorie 1 bis 4 oder spezifisch zielorgantoxische (STOT) Stoffe der Kategorie 1 oder 2, sowie eine Anzeige der Tätigkeit bei der Gewerbeaufsicht. Diese besonderen Anforderungen mussten aber nur beachtet werden, wenn die Anwendung bei anderen, z.B. im Rahmen einer gewerblichen Schädlingsbekämpfung freigesetzt wurden.

Die Mitarbeiter der Kommune im Bauhof oder der Kläranlage legen, arbeitsrechtlich gesehen, die Nagetierbekämpfungsmittel im eigenen Kanalsystem, bzw. auf den eigenen Liegenschaften aus. Insofern wurde die gefahrstoffrechtliche Sachkunde aus der alten Gefahrstoffverordnung von 2017 nicht benötigt, weil der Kommunalmitarbeiter die Präparate nicht bei „anderen“, sondern auf eigenem Kommunalgebiet ausgebracht hat. Es war nur die Sachkunde nach § 4 Tierschutzgesetz erforderlich, die i.d.R. durch einen 1-Tages Lehrgang zu erlangen war und sich ausschließlich auf tierschutzrechtliche Themen beschränkt. Diese Sachkunde nach Tierschutzgesetz ist weiterhin, auch über 2021 erforderlich. Alte Sachkundenachweise nach § 4 Tierschutzgesetz bleiben gültig.

Durch die Novellierung der Gefahrstoffverordnung 2021 hat sich zusätzlich, zu der tierschutzrechtlichen Sachkunde auch für Hausmeister und Kommunalmitarbeiter, die auf den eigenen Liegenschaften Nagetierbekämpfungsmittel ausbringen, eine gefahrstoffrechtliche Sachkundepflicht ergeben.

Die Unterscheidung zwischen beruflicher Anwendung und beruflicher Anwendung bei anderen (z.B. gewerblich) ist in der Gefahrstoffverordnung von 2021 vollständig weggefallen. Die besonderen Vorschriften für die Anwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln werden in der neuen Gefahrstoffverordnung in § 15c in Verbindung mit dem Anhang I Nummer 4 beschrieben. Diese müssen beachtet werden, wenn akut toxische Stoffe der Kategorie 1 bis 3 oder spezifisch zielorgantoxische (STOT) Stoffe oder krebserzeugende, keimzellmutagene oder reproduktionstoxische Stoffe ausgebracht werden, oder das Präparat ist im Rahmen der Biozid-Zulassung für den geschulten berufsmäßigen Anwender zugelassen wurden. Dabei ist egal, ob die Anwendung bei anderen oder auf den eigenen Liegenschaften, bzw. im eigenen Kanalsystem erfolgt.

Wie oben bereits dargestellt, werden Nagetierbekämpfungsmittel mit blutgerinnungshemmender Wirkung in anwendungsüblichen und in wirksamen Wirkstoffkonzentrationen seit 2018 als spezifisch zielorgantoxisch (STOT RE 2) und reproduktionstoxisch gekennzeichnet, sowie ausschließlich für den geschulten, beruflichen Anwender zugelassen.

Insofern gelten die besonderen Vorschriften aus dem § 15c der Gefahrstoffverordnung! Es dürfen nur noch Sachkundige im Sinne des Anhangs I Nr. 4 der Gefahrstoffverordnung diese Arbeiten verrichten. Hilfskräfte müssen entsprechend unterwiesen sein und dürfen nur unter der direkten Aufsicht von Sachkundigen Nagetierbekämpfungsmittel mit blutgerinnungshemmender Wirkung anwenden.

Auch die Anzeigepflicht bei der Ausbringung von Nagetierbekämpfungsmitteln wurde entsprechend angepasst. Während vor 2021 nur die gewerblichen Schädlingsbekämpfer die Ausbringung von Nagetierbekämpfungsmitteln mit blutgerinnungshemmender Wirkung bei der Gewerbeaufsicht anzeigen mussten, erstreckt sich jetzt die Anzeigepflicht auch diese Tätigkeiten, wenn sie auf den eigenen Liegenschaften, bzw. Kanalsystemen erfolgt. Diese Anzeige erfolgt einmalig unter Angabe der sachkundigen Mitarbeiter mit Zuverlässigkeitsnachweis, des Anwendungsbereiches sowie der Präparate und Verfahren. Änderungen sind fortlaufend anzuzeigen.

 

 Zusammenfassend kann zur Novellierung der Gefahrstoffverordnung (2021) festgestellt werden:

Nagetierbekämpfungsmittel mit blutgerinnungshemmender Wirkung dürfen nur noch von sachkundigen Anwendern im Sinne des Anhangs I Nr. 4 der Gefahrstoffverordnung (2021) ausgebracht werden. Weder der Landwirt, noch der Hausmeister oder Mitarbeiter in der Kanalwirtschaft dürfen in Zukunft Nagetierbekämpfungsmittel mit blutgerinnungshemmender Wirkung ohne Sachkundenachweis nach Anhang I Nr. 4 der Gefahrstoffverordnung ausbringen.  Für eine Verwendung von Biozid-Produkten nach § 15c Absatz 1, die bis zum 30. September 2021 ohne Sachkunde ausgeübt werden konnte, ist die Sachkunde spätestens bis zum 28. Juli 2025 nachzuweisen. Diese Übergangsfrist gilt jedoch nicht für die Anzeigepflicht der Tätigkeit bei der Gewerbeaufsicht nach § 15c der Gefahrstoffverordnung. Die Anzeige muss 6 Wochen vor der ersten Anwendung erfolgen, bzw. hätte zeitnahe nach Inkrafttreten der Novellierung der Gefahrstoffverordnung 2021 erfolgen müssen.

 

Welche Sachkundenachweise werden nach Anhang I Nr. 4 der Gefahrstoffverordnung anerkannt?

  • Abschluss nach der Verordnung über die Berufsausbildung zum Schädlingsbekämpfer/zur Schädlingsbekämpfer/in vom 15. Juli 2004
  • Prüfungen zum Gehilfen oder Meister für Schädlingsbekämpfung nach nicht mehr geltendem Recht in der Bundesrepublik Deutschland oder nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik.
  • Prüfungen nach der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Schädlingsbekämpfer/Geprüfte Schädlingsbekämpfer/in vom 19. März 1984 (BGBl. I S. 468)
  • Beschränkt sich die vorgesehene Verwendung der Biozid-Produkte auf bestimmte Anwendungsbereiche (z.B. Gesundheits- und Vorratsschutz oder Nagetierbekämpfung), so kann auch eine Sachkunde anerkannt werden, die auf diese Bereiche bezogen ist.

– 3-Tageskurs Sachkundelehrgang zur Nagetierbekämpfung (oberirdisch und Kanal)

– 2-Tageskurs Sachkunde zur Rattenbekämpfung in der Kanalisation

 

Alle Sachkundenachweise sind nur noch 6 Jahre gültig. Auch der ausgebildete Schädlingsbekämpfer verliert die gefahrstoffrechtliche Anerkennung, wenn er nicht am Ende der 6 Jahre eine behördlich anerkannte Fortbildung absolviert. Dann verlängert sich die Anerkennung des Sachkundenachweises um weitere 6 Jahr. Das gilt auch für alle anderen Sachkundenachweise.  

Wie kann eine Kommune bezüglich der Rattenbekämpfung vorgehen?

Zunächst müssen Entscheidungen getroffen werden, ob die Rattenbekämpfung in der Kanalisation oder auf kommunalem Liegenschaften an einen Dienstleister vergeben wird, oder mit eigenem Personal durchgeführt werden soll.

Dabei sind in jedem Fall die gefahrstoffrechtlichen und tierschutzrechten Vorschriften zu beachten. Jeder Arbeitnehmer, der Nagetierbekämpfungsmittel ausbringt, muss sachkundig in Sinne des Anhangs I Nr. 4 der Gefahrstoffverordnung sein. Hilfskräfte dürfen auch bei gewerblichen Schädlingsbekämpfern diese Tätigkeiten nur unter direkter Aufsicht eines Sachkundigen durchführen. Die anerkannten Regeln der Rattenbekämpfung in der Kanalisation wurden vom der Interessengemeinschaft Schädlingsbekämpfung (Inge-S e.V.) einem Zentralverband der Schädlingsbekämpfung, in einem „Leitfaden zur Rattenbekämpfung in der Kanalisation“ 2022 publiziert. Eine Bekämpfungsmaßnahme gegen Ratten in der Kanalisation sollte diesen Regeln folgen, auch wenn die Maßnahme durch gewerbliche Schädlingsbekämpfer erfolgt. In dem Leitfaden werden die gesetzlichen Vorschriften incl. der Anwendungsvorschrift aus der Biozidzulassung eingehend erläutert, sowie Wirkstoffe, Verfahren und Strategien der Rattenbekämpfung in der Kanalisation nachvollziehbar dargestellt. Relevante Arbeitsschutzvorschriften, bis hin zur Absicherung im Straßenverkehr werden erläutert und alles in einer konkreten Handlungsempfehlung zusammengefasst. Dieser Leitfaden ist gegen eine Schutzgebühr bei Inge-S e.V. (Adresse s. Glossarium) als Printversion zu erhalten oder kostenfrei im Download.

Wie im Leitfaden zur Rattenbekämpfung in der Kanalisation umfassend dargestellt, ist aufgrund von umweltschutzrechtlichen Bedenken die sachgerechte Anwendung von Nagetierbekämpfungsmitteln in der Kanalisation immer aufwendiger und kostenintensiver geworden. Insbesondere der Einsatz von anerkannten Köderschutzstation im Kanalschacht zum Schutz der Rattenköder vor Kontakt mit Wasser, bzw. Abwasser erhöht den Aufwand um ein Vielfaches. Hier können detaillierte Kenntnisse über das lokale Kanalsystem und die Präsenz der Anwender (Bauhofmitarbeiter) vor Ort den Aufwand reduzieren und die Wirksamkeit von Rattenbekämpfungsmaßnahmen gewährleisten. Insofern kann es aus wirtschaftlichen Gründen für eine Kommune zielführend sein, die Nagetierbekämpfung, insbesondere in der Kanalisation mit eigenen Mitarbeitern durchzuführen. Von der Zulassungsbehörde, die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) wurde bereits im Frühjahr 2024 angekündigt, dass eine Wiederzulassung von Nagetierbekämpfungsmitteln mit blutgerinnungshemmender Wirkung für die Anwendung in der Kanalisation nach dem 31.12.2025 nur noch erfolgen wird, wenn diese in geeigneten Köderschutzstationen angewendet werden, die den Köder über die gesamte Dauer der Bekämpfungsmaßnahmen vollständig vor Kontakt mit Wasser schützen.

Um die Anwender bei der Auswahl von geeigneten Köderschutzstationen zu unterstützen, hat das Umweltbundesamt (UBA) über die „Liste der geprüften Mittel und Verfahren zur Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen, Krätzmilben und Kopfläusen gemäß § 18 Infektionsschutzgesetz“ die Wirksamkeit solcher Köderschutzstationen geprüft und einige Köderschutzstationen als, für diesen Zweck wirksam und geeignet anerkannt.

Wenn die Rattenbekämpfung in einer Kommune von eigenen Mitarbeiter aus dem Bauhof und dem Klärwerk durchgeführt werden soll, sind folgende Punkte zu beachten:

  • Die betreffenden Mitarbeiter müssen bis zum Ende der Übergangsfrist am 28.7.2025 einen Sachkundelehrgang absolviert haben. Es werden von verschiedenen Trägern anerkannte Lehrgänge für die Sachkunde zur Rattenbekämpfung in der Kanalisation (2-Tages Kurs) und anerkannte Lehrgänge für die Nagetierbekämpfung in der Kanalisation und oberirdisch (3-Tages Kurs) angeboten. Mit dem 3-Tageskurs können die sachkundigen Kommunalmitarbeiter auch Nagetiere auf allen Liegenschaften der Kommune, wie z.B. das Gelände des Klärwerks, Parks und Grünanlagen oder an Bachläufen bekämpfen.
  • Die Tätigkeit des Ausbringens von Nagetierbekämpfungsmitteln, die unter den § 15c der Gefahrstoffverordnung fallen, ist in der vorgeschriebenen Form und Umfang bei der Gewerbeaufsicht anzeigen
  • Es ist geeignetes Material zur Nagetierbekämpfung zu beschaffen. Die Art und Beschaffenheit der Köder sind an die lokalen Voraussetzungen und Strategien anzupassen.
  • Z. ist das Einhängen von Ködern in den Kanalschacht auch noch ohne Köderschutzstation zulässig, soweit der Kontakt mit Wasser, bzw. Schmutzwasser verhindert werden kann.
  • Für Kanalschächte, bei denen bereits im regulären Betrieb des Kanalsystems eine hohe Gefahr besteht, dass diese in den Einstau gehen, sind Köderschutzstationen zu beschaffen, die im besten Fall von einer unabhängigen Stelle geprüft und anerkannt wurden, wie die Anerkennung des UBAs.

Fragen und weitere Information bei Autor des Artikels:

Dr. Ulrich Ahrens (öffentlich bestellt und vereidigter Sachverständiger für Schädlingsbekämpfung)
Email: ahrens.ex@t-online.de