Durch die Novellierung der Gefahrstoffverordnung 2021 haben sich die Sachkundeanforderungen an die professionelle Schädlingsbekämpfung grundlegend geändert. In diesem Artikel sollen die praktischen Auswirkungen dieser Änderungen auf die Aus- und Fortbildung von Mitarbeiter in Schädlingsbekämpfungsunternehmen eingehend beleuchtet werden. Dazu soll zunächst erläutert werden, wie sich die Anforderungen vor der Novellierung der Gefahrstoffverordnung dargestellten haben.
Mit der Etablierung der DIN EN 16636:2015 wurden die allgemein anerkannten Regeln der Dienstleistung Schädlingsbekämpfung für alle Mitgliedländer der Europäischen Union (EU) festgeschrieben. In dieser Norm wurden auch die Kompetenzanforderungen an Mitarbeiter in europäischen Schädlingsbekämpfungsunternehmen entsprechend ihres Arbeitsplatzes festgelegt. Um die unterschiedlichen Ausbildungsniveaus der professionellen Schädlingsbekämpfer in der EU zu harmonisieren, mussten die gesetzlichen Vorschriften bezüglich der notwendigen Kompetenznachweise harmonisiert werden. Das erfolgte mit der Novellierung der Gefahrstoffverordnung 2021 und im Rahmen der Zulassung von Schädlingsbekämpfungsmitteln nach Biozidverordung (EU).
Was hat sich für die professionellen Schädlingsbekämpfer in der Bundesrepublik Deutschland damit geändert?
Durch die Novellierung der Gefahrstoffverordnung 2021 haben sich die Sachkundeanforderungen an die Schädlingsbekämpfung grundlegend geändert.
Die Unterscheidung zwischen beruflicher Anwendung und beruflicher Anwendung bei anderen (z.B. gewerblich) ist vollständig weggefallen. Die besonderen Vorschriften für die Anwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln werden in der neuen Gefahrstoffverordnung in § 15c in Verbindung mit dem Anhang I Nummer 4 beschrieben. Diese müssen nur beachtet werden, wenn akut toxische Stoffe der Kategorie 1 bis 3 oder spezifisch zielorgantoxische (STOT) Stoffe oder krebserzeugende, keimzellmutagene oder reproduktionstoxische Stoffe ausgebracht werden, oder das Präparat ist im Rahmen der Zulassung nach Biozidverordnung für den geschulten berufsmäßigen Anwender zugelassen wurden. Dabei zählt ausschließlich die Kennzeichnung des Präparates, die Freisetzungsklausel findet sich in der neuen Gefahrstoffverordnung (2021) nicht mehr wieder. Wenn die besonderen Vorschriften aus dem § 15c der Gefahrstoffverordnung zu beachten sind, dürfen nur noch Sachkundige im Sinne des Anhangs I Nr. 4 diese Arbeiten verrichten. Völlig neu sind die Vorschriften des § 15b der aktuellen Gefahrstoffverordnung. Hier wird eine neue Kompetenzanforderung für die berufsmäßige Ausbringung von Schädlingsbekämpfungsmittel im Sinne der Hauptgruppe 3 des Anhangs V der Biozidverordnung formuliert. Diese Anforderungen gelten für Schädlingsbekämpfungsmittel, die nicht in den Anwendungsbereich des §15 c der Gefahrstoffverordnung (s.o.) fallen. Diese Kompetenzanforderung wird als „Fachkunde“ bezeichnet und gilt für die Ausbringung von Schädlingsbekämpfungsmitteln, die weder akut toxisch sind, noch spezifisch zielorgantoxisch oder reproduktionstoxisch, aber für den beruflichen Verwender zugelassen sind. Die Anforderung entfällt, wenn das Biozid-Produkt für eine Verwendung durch die breite Öffentlichkeit zugelassen ist. Die Fachkunde umfasst die fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten, die erforderlich sind, um die verwendeten Biozid-Produkte bestimmungsgemäß und fachgerecht verwenden zu können. Fachkundelehrgänge sind produktspezifisch und benötigen im Unterschied zu Sachkundelehrgängen keine staatliche Anerkennung. Sie können im Auftrag der Arbeitgeber durch privatwirtschaftliche Bildungsträger durchgeführt werden. Bei den Inhalten der Fachkundelehrgänge sind die bekanntgegebenen Regeln und Erkenntnisse des Ausschusses für Gefahrstoffe (AGS) zu berücksichtigen.
Welche praktischen Auswirkungen haben diese neuen Vorschriften?
- Rodentiziden Köder mit blutgerinnungshemmender Wirkung dürfen nur noch von sachkundigen Verwendern im Sinne des Anhangs I Nr. 4 der Gefahrstoffverordnung ausgebracht werden. Das sind ausgebildete und geprüfte Schädlingsbekämpfer, sowie Teilsachkundige nach TRGS 523 (G+V oder Sachkunde zur Bekämpfung von Nagetieren). Weder der Landwirt, noch der Hausmeister oder Mitarbeiter in der Kanalwirtschaft dürfen in Zukunft rodentizide Köder mit blutgerinnungshemmender Wirkung ohne Sachkundenachweis nach Anhang I Nr. 4 der Gefahrstoffverordnung ausbringen. Für eine Verwendung von Biozid-Produkten nach § 15c Absatz 1, die bis zum 30. September 2021 ohne Sachkunde ausgeübt werden konnte, ist die Sachkunde spätestens bis zum 28. Juli 2025 nachzuweisen.
- Handelsübliche Wespensprays sind als Fertigpräparat i.d.R. weder als akut toxische Stoffe der Kategorie 1 bis 3 oder als spezifisch zielorgantoxische (STOT) Stoffe oder krebserzeugende, keimzellmutagene oder reproduktionstoxische gekennzeichnet. Insofern fallen solche Präparate zunächst nicht unter den § 15c der Gefahrstoffverordnung. Jedoch muss noch geprüft werden, für welche Anwenderkategorie und für welchen Anwendungsbereich das Präparat zugelassen wurde. Hier fällt oft schon die Beschaffung der notwendigen Informationen schwer. Sowohl die Anwenderkategorie als auch der Anwendungsbereich sind in der Zusammenfassung der Eigenschaften eines Biozidprodukts (SPC, summary of product characteristics) in Rahmen der Zulassung nach Biozidverordung festgelegt und dokumentiert. Dort wird zwischen 3 Anwenderkategorien unterschiedenen, geschulte berufsmäßige Anwender (Sachkunde), berufmäßige Anwender (Fachkunde) und Verbraucher (breite Öffentlichkeit ohne Kompetenzanforderungen). Jetzt kann es sein, das ein und das selbe Präparate für verschiedene Anwendungsbereiche unterschiedliche Anwenderkategorien zugelassen sind. Das Präparat PX-025 INSEKTIZIDPULVER (Zapi) ist gegen Schaben, Ameisen und andere kriechende Insekten zur Behandlung von Ritzen und Spalten für den berufsmäßigen Anwender (Fachkunde) zugelassen. Für die Behandlung von Wespennester wurde das Präparat jedoch für den geschulten berufsmäßigen Anwender zugelassen (Sachkunde). Ähnlich sieht es auch bei anderen insektiziden Präparaten aus.
- Insektizide Gele sind als Fertigpräparat i.d.R. weder als akut toxisch Kat. 1 bis 3 noch als STOT oder reproduktionstoxisch gekennzeichnet. Da diese Präparate aufgrund der oben genannten Kriterien nicht unter den § 15c der Gefahrstoffverordnung fallen, muss auch hier geprüft werden, für welchen Anwendungsbereich und welche Anwenderkategorie das Präparat zugelassen ist. Insektizide Gele mit dem Wirkstoff, Imidacloprid, sind häufig für den berufsmäßigen Anwender (Fachkunde) gegen Schaben und ggf. auch gegen andere kriechende Insekten zugelassen.
Anhand dieser drei Beispiele zeigt sich doch sehr deutlich, wie stark sich die Bedingungen für die professionellen Schädlingsbekämpfer geändert haben.
Während vor 2021 die Hausmeister auf eigener Liegenschaft rodentizide Präparate mit blutgerinnungshemmender Wirkung anwenden durften, dürfen diese Präparate nach 2021 nur noch mit einem Sachkundenachweis im Sinne der Anhang I Nr. 4 der Gefahrstoffverordnung ausgebracht werden (Ausnahme Übergangsfrist).
Bei den Insektiziden sieht die Sache völlig anders aus. Präparate mit „gefährlichen“ Wirkstoffen durften vor 2021 nur von Sachkundigen Schädlingsbekämpfern bei anderen (gewerblich) ausgebracht werden. Nach 2021 können solche Präparate z.T. ohne Sach- oder Fachkundeanforderungen auch bei anderen ausgebracht werden (z.B. Clean Kill). Für viele Präparate werden für unterschiedliche Anwendungsbereiche und Gebindegrößen unterschiedliche Anwenderkategorien zugelassen.
Für Schädlingsbekämpfungsmittel, die aufgrund ihrer chemisch/toxikologischen Eigenschaften nicht unter den § 15c der Gefahrstoffverordnung fallen, jedoch für den berufsmäßigen Anwender zugelassen wurden, muss eine Fachkunde im Sinne des Anhangs I Nr. 4 der Gefahrstoffverordnung nachgewiesen werden.
Die Gefahrstoffverordnung von 2021 enthält so viele Schwachstellen und Unzulänglichkeiten, dass bereits seit 2022 ein Referentenentwurf für eine erneute Novellierung vorliegt. Darin sollen die Übergangsfristen verlängert und die Anerkennung von Pflanzschutzzertifikaten als Sachkunde nach Anhang I Nr. 4 geklärt werden.
Grundsätzlich wurde durch die Novellierung der Gefahrstoffverordnung 2021 das deutsche Gefahrstoffrecht weiter an die europäischen Regeln der DIN EN 16636:2015 angepasst. Während in der Vergangenheit der Geprüfte- und ausgebildete Schädlingsbekämpfer in der Bundesrepublik Deutschland als quasi Universalsachkundiger alle Tätigkeiten in der Schädlingsbekämpfung eigenständig durchführen durfte, gibt die neue Verordnung seit 2021 den Unternehmen die Möglichkeit, professionelle Anwender für spezifische Anwendungsbereiche mit entsprechenden Präparate im Rahmen von firmeninternen Schulungen auszubilden (Fachkunde). Auch die Sachkundeanforderungen wurden weiter differenziert. Neben den „großen“ staatlich anerkannten Sachkundenachweisen eines „geprüften“ oder „ausgebildeten“ Schädlingsbekämpfers, gibt’s es seit langer Zeit schon die Sachkunde in den Teilgebieten Gesundheits- und Vorratsschutz und seit kurzem eine, im Umfang reduzierte Sachkunde nur für die Nagetierbekämpfung. Auf diese Weise können Schädlingsbekämpfungsunternehmen neue Mitarbeiter für spezielle Anwendungsbereiche (z.B. Lebensmittelbetriebe) ausbilden, ohne dass vergleichsweise hohe Ausbildungskosten und lange Praxiszeiten als Hilfskraft entstehen. Die Kollegen sind schneller einsatzbereit und haben anschließend immer noch die Möglichkeit, die Sachkunde durch entsprechende Fortbildungsmaßnahmen zu erweitern, bis hin zur Teilnahme an der Prüfung zum anerkannten Ausbildungsberuf des Schädlingsbekämpfers nach 5 Jahren Berufspraxis in einem Schädlingsbekämpfungsunternehmen.
Dr. Ulrich Ahrens
Sachverständiger für Schädlingsbekämpfung,